Wolken


 

Der Blick in die Berge war phantastisch. Ebenso die Temperaturen. Für den Monat Juli waren unsere Finger vor Kälte ganz schön steif.

 

Die Nachbarn heizten schon den ganzen Tag kräftig ihren Holzofen ein. Bei uns brannten bloss die Kerzen.

 

Das Ofenrohr war so verrostet, dass es nicht mehr nostalgisch sondern nur noch krümelig war. Gott sei Dank hatten wir zwei hüfthohe Laternen aus Glas und Chromstahl raufgeschleppt und sie mit grossen Kerzen versehen.

 

Diese Laternen waren wohl die nützlichsten Dekorationsgegenstände, die wir je besessen hatten. Sie dienten als Beleuchtung, als Heizkörper und zum Trocknen von Socken und Schuhen.

 

Wir hatten ja nicht ahnen können, dass es während dieser Sommerferien im Tessin zu Überschwemmungen kommen würde, wie es sie das letzte Mal vor 300 Jahren gab. Schaudernd hörten wir, hier auf 1000 Meter Höhe und fernab von gefährlichen Gewässern, die Nachrichten aus dem batteriebetriebenen Radio.

 

„Ich mag es wenn es hier oben regnet“, kommentierte unser Grosser von seinem Hochbett aus: „Dann fühle ich mich wie in der Arche Noah.“

 

Dankbar dachte ich an unser Hausdach, an die auf starke Balken geschichtete Platten aus Granit. Das Wasser floss darüber ab wie über ein Bachbett.

 

Auch dass sich die Fenster beschlugen, stimmte uns dankbar: offenbar war das Dach isoliert.

 

Die Gewitter schienen immer lange an den Bergen um uns festzuhängen, bevor sie noch den Rest ihres Inhaltes über uns ausschütten. Manchmal dauerte aber auch das stundenlang.

 

Fasziniert beobachteten wir das Wetter um uns und wie die Blitze in die hunderte von Metern unter uns liegenden Dörfer stachen. Immer wieder wurden wir in vorbeitreibende, graue Wolken gehüllt. Unsere Jungs hüpften vor Begeisterung: „So fühlen sich also Wolken an!“

 

Voller Mitleid schauten wir immer wieder runter auf die armen Leute im Tal. Wie langweilig gross ihre Häuser doch waren. Und wie tief die Wolken über ihren Dächern hingen. Wir selbst, wir gehören nun definitiv zur oberen Schicht!

 

 

 

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